Erde an Denkmalschutz

Ich bin nicht bibelsicher.
Dennoch meine ich mich zu erinnern, daß Gott die Menschen straft, indem er ihnen unterschiedliche Sprachen gibt.
Was irgendwie in Babel passiert und die bauen gerade einen Turm. Ob das so war oder ob ich da etwas durcheinander bringe, ich weiß es nicht.
Was ich weiß: Gott hat auch mich gestraft.
Denn ich spreche offenbar eine ganz andere Sprache, als mein Gegenüber.
Das Teufliche daran (Sorry Gott!) ist, daß er die gleichen Wörter verwendet, wie ich.
Ich spreche, er spricht, verstehen tun wir uns nicht.
Und mir kommen die hilflosen Worte meine Nachbarin von heute Morgen in den Sinn:
Was ist denn hier los?
Draußen ist es inzwischen dunkel, Reinhard und ich sind mehr tot als lebendig.
Mein Körper schreit bei jeder Bewegung, seit Stunden fragt der mich schon, was ich eigentlich mit ihm mache.
Mein Körper möchte kündigen.
Und mein Kopf fängt jetzt auch schon damit an.
Nichts da, ich füttere euch, also arbeitet ihr für mich.
Und während ich im besten Streitgespräch mit meinen Körper und meinem Kopf bin und beginne, mich zu sorgen, die beiden könnten am Ende als Sieger den Platz verlassen, öffnet sich das Brett in der Öffnung des Hauses, das ich großspurig Haustür nenne.
Besuch zu so später Stunde?
Ob es der noch reichlich vorhandene Staub in der Luft, oder der Staub in meinem Kopf oder die Kopfschmerzen dafür verantwortlich sind?
Ich halluziniere!
Ich bekomme Besuch von Stalins Politkommissar!
Keine Ahnung, wie ich darauf komme, denn gesagt hat er noch nichts.
Aber Gestik, Mimik und vor allem dieser ungute Blick sind die Inkanation eines russischen Gesinnungsschnüfflers.
Frank, denke ich, höre auf mit dem Lehmschnüffeln.
Das bringt nichts.
Aber noch bevor ich die Drogen wechseln kann, fängt meine Erscheinung an zu sprechen.
„Guten Abend.“
Ha, doch kein Russe.
„Guten Abend, was kann ich für Sie tun?“
Ich stehe da, als hätte ich den Tag in der sich drehenden Trommel eines Betonlasters verbracht und höre mich sagen: „Was kann ich für Sie tun?“
Schnauze Körper, war doch nur so dahingesagt.
Den ganzen Tag hindurch hatten Touristen und Wernigeröder in dieser Tür gestanden und mich neugierig beobachtet. Das hier würde für heute der Letzte sein.
O.K., der Vorletzte, denn anstatt einer Antwort gibt er die Türöffnung frei für eine zweite Gestalt.
Die Frau von der Stadtverwaltung. Seltsamer Weise fällt mir jetzt ihr Name ein.
Mysterium Gehirn.
Das sind keine Touristen. Das ist auch kein Politkommissar.
Ich fühle mich plötzlich wie ein Pubertierender, der den ganzen Tag sein Zimmer aufgeräumt hat und jetzt auf das Lob von Mutti wartet.
Und mit einiger Verzögerung, aber nicht zu spät, erkenne ich auch den Mann: „Was Sie im Haus machen, geht mich nichts an.“
Das ist der Denkmalschutzheini, der mir beim ersten Zusammentreffen erklärt hat, daß mein Haus kein Einzeldenkmal und er deshalb nur für die Fassade zuständig ist!
Wenn ich „Heini“ schreibe, dann ist das weniger abwertend gemeint, als man vermuten könnte.
Mein Problem: ich kann mir Namen nicht merken.
Ich kann mir auch keine Gesichter merken.
Eigentlich kann ich mir gar nichts merken, merke ich gerade.
Wenn ich jemanden abwertend titulieren wollte, würde ich ihn jedenfalls Arsch nennen oder Fuzzi.
Heini ist mehr so ein Füllwort. Wie „gib mal das Ding!“, nur weil man gerade vergessen hat, daß das Ding Hammer heißt.
Der Denkmalschutzheini macht zwei seitliche Schritte und steht dadurch jetzt mitten im Raum…

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