Sind die nett hier

„Scheiße!“
Ich kenne den Blitzer ganz genau, weiß, wo er steht.
Nur habe ich das Telefon am Ohr und höre aufmerksam, was man mir sagt:
„Untere Denkmalschutzbehörde Wernigerode. Sie finden uns direkt am Nikolaiplatz im Zentrum…fahren Sie am besten…das häßliche Haus aus DDR – Zeiten…nicht zu übersehen…oberster Stock…“
Blitz.
„Scheiße! Nein, nicht Sie. Entschuldigung, bin gerade geblitzt worden. Ja, bin auf dem Weg zu Ihnen und laut Navigationsgerät noch 30 min unterwegs. Bis gleich.“
Mit dem Kauf eines Hauses in der Innenstadt Wernigerodes ist klar: Hier würde der Denkmalschutz gefragt werden wollen, bevor wir loslegen.
Und der Denkmalschutz in Wernigerode, das ist ER.
Das habe ich inzwischen herausgefunden.
Also führt mich der erste Weg genau dorthin, zu IHM.
365 km für ein Gespräch. Aber eben ein wichtiges Gespräch.
Schließlich will ich alles richtig machen, will kooperativ sein, will ein Denkmal retten.
Ja, so denke ich.
Das Gespräch verläuft dann sehr entspannt.
„Nein, das Haus Kochstraße 41 war mal ein Einzeldenkmal, ist es aber nicht mehr. Haben wir wieder rausgenommen. Ist jetzt aber noch ein Teil der denkmalgeschützten Innenstadt und somit ein Teil eines Denkmalensembles.“
„Was heißt das?“
„Nun, das heißt, daß Sie für die Sanierung dieses Hauses steuerliche Vorteile erhalten. Allerdings müssen Sie dazu einen Sanierungsvertrag mit der Stadt abschließen und sich dann später alle durchgeführten Arbeiten bestätigen lassen bzw. die Rechnungen zur Bestätigung für Ihr Finanzamt einreichen.
Bei uns können Sie alles einreichen, was mit der Hausfront zu tun hat. Mehr geht uns nicht an.
Ist ja kein Einzeldenkmal.“
Ich hake nach: „Das heißt, daß Sie sich nur für die Fassade des Hauses zuständig fühlen?“
Der Kollege am Nachbartisch klinkt sich in das Gespräch ein: „Genau. Das müssen Sie so sehen: Wenn Sie zum Beispiel Kastenfenster einbauen würden, dann könnte ich Ihnen den Einbau des äußeren Flügels bestätigen, für den inneren sind wir nicht zuständig.“
ER ergänzt: „Wobei, da würde ich vielleicht mal eine Ausnahme machen können. Aber ansonsten gilt: alles IM HAUS interessiert uns in Ihrem Falle nicht. Ist eben kein Einzeldenkmal.“
Die kurz zuvor hinzugestoßene Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, Abteilung Bauamt, nickt dazu.
„Man, sind die nett hier“, denke ich und bin sehr zufrieden.
Wird also halb so schlimm, das mit dem Denkmalschutz.
Und die Fassade, die soll doch sowieso so bleiben, und nicht nur die.
Wäre ja noch schöner, wenn ich daran was ändern würde.
Was sagte er noch? Sanierungsvertrag mit der Stadt? Na dann.
Auf zum Bauamt der Stadt.

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